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Christentum und Politik in Deutschland





Erneuter Brief über selektive Berichterstattung



Sehr geehrte Damen und Herren,


Anfang November 2021 schrieb ich Sie an, weil ich die Berichterstattung in der Tagesschau nicht als ausgewogen empfunden habe. Damals ging es um die fehlende Berichterstattung über den „Marsch für das Leben“. Ich hatte damals darauf hingewiesen, dass ich mein Schreiben, sowie auch Ihre Antwort veröffentlichen werden. Dies habe ich auch getan, sodass sich jeder Leser ein eigenes Bild machen kann.

Ihre Antwort schloss damals mit folgender Aussage:

„Anmerkungen wie Ihre helfen uns, die eigene Arbeit immer wieder zu überprüfen und noch besser zu werden. Wir würden uns freuen, wenn Sie unsere Nachrichtenangebote weiterhin kritisch begleiten.“

Dieser Bitte komme ich nach wie vor gerne nach. Ich habe Sie seither zweimal angeschrieben, da mir aufgefallen ist, dass das Thema Christenverfolgung nahezu keine Rolle in der Berichterstattung spielt. Wenn es aber um die Unterdrückung von Muslimen, Homosexuellen oder sonstigen Gruppen geht, ist in den 20:00 Uhr Nachrichten immer etwas zu finden. Ich hatte Ihnen in beiden Fällen Beispiele für Christenverfolgung, mit Quelle, genannt und gehofft, dass das Thema Einzug in die Berichterstattung erhält. Christen sind schließlich die weltweit am meisten verfolgte Gruppe. Selbstverständlich habe ich diese Briefe ebenfalls veröffentlicht, sodass Ihre Reaktion von allen Lesern wahrgenommen werden kann.

Kurz nach meiner Mail vom 20.05.2022, auf welche bis heute nicht geantwortet wurde, war ein Bericht in der Tagesschau über 50 ermordete Christen in Nigeria zu sehen. Ein Wandel hin zu einer ausgewogeneren Berichterstattung ist dies aber nicht. Die Lustlosigkeit und Emotionslosigkeit waren dem Beitrag deutlich anzumerken. Während über andere Themen oft ausführlich berichtet wurde, und manchmal auch ein gewisses Entsetzen zu erkennen war, wurde hier nur 25 Sekunden berichtet. Nach der lustlos dargebotenen Meldung, die man in einem Satz zusammenfassen konnte, ging man schnell zum nächsten Thema über.

Ich bitte Sie daher erneut, dass Thema Christenverfolgung in die Berichterstattung aufzunehmen. Würde man beispielsweise nur ein- bis zweimal die Woche für zwei Minuten darüber berichten – Vorfälle gibt es genug – würde es der Realität zwar noch immer nicht gerecht, Sie hätten aber Ihre Schuldigkeit getan, und die Bevölkerung hätte ein Bild davon, wie es den Christen weltweit geht.

Hier nur eine kleine Auswahl kürzlicher Ereignisse, welche keinen Eingang in die Tagesschau fanden:

Kongo: Am 07.07.2022 begann ein mehrtägiger Angriff, bei welchem mehr als ein Dutzend Christen ermordet wurden. Bei den Angriffen wurde – laut evangelisch.de – eine Klinik in der Stadt Lume angegriffen und hunderte Häuser in der Umgebung niedergebrannt. Mindesten 30 Kinder werden seitdem vermisst. Angreifer war die islamische ADF-Miliz, die seit Jahren Anschläge auf Christen verübt und Teil des IS ist.

Tadschikistan: Einem Bericht von Open Doors (08.07.2022) zufolge, dürfen seit Mai keine weiteren christlichen Kirchen mehr gebaut werden. Dies teilte Sulaymon Davlatzoda, der Vorsitzende des staatlichen Komitees für religiöse Angelegenheiten, den Kirchenleitern bei einer Versammlung mit. Zudem erinnerte er die anwesenden Christen an ein seit 2011 bestehendes Gesetz, wonach keine Personen unter 18 Jahren an religiösen Veranstaltungen, mit Ausnahme von Beerdigungen, teilnehmen dürfen. Die Religionsfreiheit ist damit erheblich eingeschränkt. Das Wort Gottes kann so nicht zu den Menschen kommen.

Iran: Pastor Joseph Shahbazian wurde am 07.06.2022 zu zehn Jahren Haft verurteilt. Zwei weitere Christen müssen, laut Open Doors, für sechs Jahre ins Gefängnis, weil sie in einer Hauskirche Leitungspositionen übernommen haben.

Nigeria: Am 22.05.2022 berichtete das katholische Nachrichtenportal kath.net von 20 Nigerianern, die vom IS ermordet wurden. In einem Video veröffentlichten die Täter ihre Morde auf ihrem eigenen Nachrichtenportal. In dem Video drohten sie der gesamten Christenheit mit „ewigem Krieg“. Der Sprecher in dem Video wird mit folgenden Worten zitiert:

„Wir werden nicht ruhen, bis wir uns für unsere Brüder an den Christen in der ganzen Welt gerächt haben.“ Es ist also davon auszugehen, dass die ermordeten Nigerianer Christen sind.

Laut dem Nachrichtenportal waren die Morde ein Racheakt wegen des im Februar getöteten Anführers und eines Sprechers des IS.


Entsprechend Ihrem eigenen Selbstverständnis wollen Sie ausgewogen und realitätsnah berichten. Daher bitte ich Sie erneut, dieses wichtige Thema zu berücksichtigen. Christen aller Welt werden Ihnen dankbar sein, wenn ihr Leid angemessene Aufmerksamkeit bekommt. Um weiterhin helfen zu können, werde ich die Tagesschau weiterverfolgen. Selbstverständlich werde ich diese Mail veröffentlichen, wie auch die mögliche Antwort.

Mit freundlichen Grüßen.

Oliver Zielinski